Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) - Kreisvereinigung Augsburg
Stand: 14.02.2021
VVN/BdA Augsburg - Anni Pröll

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WIDERSTAND im DRITTEN REICH

Anna Pröll geb. Nolan

Anna Pröll (geb. Nolan), eine der Jugendlichen die gegen das NS-Regime aktiv wurde.

Anna Nolan war eine der wichtigsten Aktiven der Gruppe Jugendlicher, die den Widerstand in Augsburg versuchten.

Sie und ihre Freunde kannten sich aus den Gruppen des kommunistischen Jugendverbandes Deutschlands KJVD und den parteinahen Gewerkschaftsgruppen RGO.

 


Augsburg spielte während der nationalsozialistischen Zeit durchaus keine Außenseiterrolle: ein Fremdenverkehrsführer brüstete sich stolz, bereits vor den amtlichen Wahlergebnissen die Hakenkreuzflagge gehisst zu haben.

Was viele nicht wissen, in Augsburg war auch einer der Zentren Süddeutschlands für den Widerstand gegen das NS-Regime.

Auch Jugendliche waren aktiv.

geb.  12.6.1916 in Augsburg Pfersee
gest. 28.5.2006 in Augsburg
Geprägt wurde ihre Überzeugung bereits aus ihrer Familie: Anna Nolan musste die Verhaftung von Vater, Mutter und Geschwistern durch SA und SS erleben, wo diese gefoltert und eingesperrt worden sind. 1931 schloss sich die 15jährige Anna dem Kommunistischen Jugendverband (KJVD) an, nachdem sie ihren Vater von einer KPD-Versammlung abgeholt hatte und dort eine Rede über die Arbeitsbedingungen von Frauen in Augsburg gehört hatte.
 
Als 1933 Annas Mutter Rosa als Mitglied der Roten Hife verhaftet wurde, “gab es ein Stocken in der politischen Arbeit für uns ... Wir Jungen, wir haben ja schon vorher Polizeiverhöre geübt. Man war also schon gefasst, dass das kommen kann. Dann, wie meine Eltern verhaftet waren, bin ich jeden Tag nach der Arbeit vor dem Katzenstadel gestanden, wo meine Mutter einsaß. Mein Vater war ja schon längst nicht mehr in Augsburg, der war in Dachau.”
Die Gruppe nahm erst Kontakt mit der noch bestehenden kommunistischen Jugendgruppe in München auf, besorgte sich dort Zeitschriften und Losungen, die sie - meist nachts - in den Arbeitervierteln verteilte. An Litfaßsäulen und Häuserwände schrieben sie Aufrufe zum Widerstand und riefen mit Flugzetteln, die sie auf einer eigenen Handpresse gedruckt hatten, zum Kampf gegen das Nazi-Regime auf.”
Eines der 1933 in Oberhausen verteilten Flugblätter:
“Proleten! Kampfgenossen! Unaufhaltsam wütet der Mordfaschismus weiter. Täglich fordert der Aasgeier des Kapitalismus neue Opfer. 50.000 revolutionäre Arbeiter schmachten im Kerker. Wollt Ihr sie wie Freiwild den faschistischen Tyrannen ausgesetzt lassen? Arbeiter heraus! Duldet es nicht länger. Es ist Blut von Eurem Blut. Darum kämpft mit uns Kommunisten!”
 

Anna als junges Mädchen
September 1933 flog die Augsburger Jugendgruppe auf: doch in Augsburg fanden sich trotzdem wieder Jugendliche, die die Arbeit weiterführen wollten und sich nicht von der Brutalität der Polizei und der SS abschrecken ließen. Mittlerweile hatten sich die Grausamkeiten in den Arbeitslagern herumgesprochen: der Augsburger KPD-Chef Leonhard Hausmann war vom SS-Wachmann Kramer - ebenfalls ein Augsburger - kaltblütig ermordet worden. Der Kreis der jugendlichen Widerständler erweiterte sich: auch aus sozialistischen und christlichen Gruppen rekrutierten sich Leute.
Anna Nolan sah ihren Vater nie wieder:
kurz vor seiner Entlassung aus dem KZ Dachau starb er an den Folgen eines mörderischen Arbeitseinsatzes, eingespannt vor einer Straßenwalze
Juni 1934 dann der Prozeß wegen dem Aufbau einer Widerstandsgruppe am Oberlandesgericht München, dann wegen Aufbau der Nachfolgegruppe nochmal im März 1935. Insgesamt wurde sie zu einer Haftstrafe von 21 Monaten im Strafgefängnis Aichach verurteilt. Als sie unerlaubt Kontakt zu einer Genossin Kontakt aufgenommen hatte, bestrafte man sie mit Dunkelhaft. Auf ihr jugendliches Alter wurde kein Rücksicht genommen. Geschwächt und abgemagert verließ sie das Gefängnis - mittlerweile 17 Jahre alt. Doch in die Freiheit wurde sie nicht entlassen: wie alle politisch Verurteilten kam sie in "Schutzhaft" und wurde ins KZ Mohringen abtransportiert. Nur durch die Hilfe der anderen mitgefangenen Frauen überlebte sie. Diese gegenseitige Solidarität war für sie einer der wichtigsten Erfahrungen während der gesamten Haft- und Verfolgung, die sie aufrecht erhielt
Später wurden die Frauen ins KZ Ravensbrück verlegt. Anna Nolan wurde dort 1937 nach Hause entlassen, mit der Auflage, von nun an sich täglich bei der Polizei zu melden. Auch ihr Privatleben wurde ständig überwacht. Sie verlobte sich mit Josef Pröll, der auch schon einige Jahre KZ-Haft hinter sich hatte, und heiratete ihn, trotz dem Einspruch der Polizei. Ihr Mann wurde 1939 - nach Ausbruch des Krieges - wieder verhaftet und verbrachte weitere lange Jahre in KZ-Haft.

Anni Pröll zu Ihrem 80. Geburtstag

Herzlichen Dank allen die mir Grüße und Glückwünsche zu meinem 80. Geburtstag überbrachten. Erst so ist es mir bewußt geworden, daß ich wirklich vor so langer Zeit meinen ersten Schnaufer getan habe. Damals hatte mich die Hebamme schon gedroschen, damit ich begriff, daß ich nun selbst meine 5 Sinne entwickeln muß.
Mit dem ersten Atemzug habe ich wohl die Sehnsucht der Menschen nach Frieden mit eingeatmet. Es war ja mitten im ersten Weltkrieg. So mußte ich eben in der finstersten Zeit unseres Jahrhunderts auch Federn lassen. Mein 80. Geburtstag war voll ausgefüllt, der eigentlich kein „Besonderer“ werden sollte. Meine kleine Wohnung war ein Blumenmeer und den Abend verbrachte ich mit lieben Freunden.

Eine besondere Ehre wurde mir zuteil, durch den Besuch von Oberbürgermeister Dr. Peter Menacher. Mit seinen persönlichen Glückwünschen übermittelte er mir auch die Glückwünsche meiner Heimatstadt Augsburg. Ich fühlte mich sehr betroffen, denn mein Engagement für Frieden und Mitmenschlichkeit, das in seinem Glückwunschschreiben erwähnt ist, ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Das Wissen um die großen Opfer, die das faschistische System gefordert hat, verpflichtet mitzuhelfen, daß alles versucht werden muß, solches in Zukunft zu verhindern.

Bis ins hohe Alter trat Anna Pröll als eine der letzten Überlebenden des Augsburger Widerstandes für Antifaschismus und Demokratie in unserer Stadt ein. Unermüdlich setzte sie sich bis zuletzt noch für die Vermittlung der schwärzesten Geschichte Deutschlands ein.

Aufgrund dieser ihrer Verdienste regten der Vorsitzende der deutsch-israelischen Kultusgemeinde Gernot Römer und die Historikerin Annette Eberle 1996 anläßlich ihres 80. Geburtstages eine Ehrenbürgerschaft bei Oberbürgermeister Peter Menacher an. Dies wurde abgelehnt.

Am 10. September 2002 wurde die "Ravensbrückerin" Anni Pröll in der Staatskanzlei in München mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) überreichte die Urkunde.

Anni Pröll sagte, sie nehme die Auszeichnung nur als Ehrung derjenigen an, die die Konzentrationslager nicht überlebten. Im Namen der LGRF (Lagergemeinschaft Ravensbrück/Freundeskreis) gratulierte deren Vorsitzende Rosel Vadehra-Jonas Anni Pröll.

Unter anderem sagte sie: "Diese Auszeichnung ist eine Würdigung Deines langen und aufopferungsvollen Kampfes gegen den Faschismus und Deines unermüdlichen Engagements gegen das Vergessen."

 

 

Am 13.3.2003 wurde Anna Pröll die Ehrenbürgerschaft der Stadt Augsburg unter Oberbürgermeister Paul Wengert doch noch verliehen.

Anna bei der Filmpremiere 2002 des Films
"Anna, ich hab Angst um dich"

Text leicht gekürzt nach Horst Thieme in Neue Szene 11/1998, Überarbeitung und Ergänzung durch Peter Feininger und Harald Munding

Wir nehmen Abschied von Anna Pröll

  Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes / Bund der Antifaschisten/innen (VVN/BdA) trauert um ihre Kameradin Anna Pröll, die kurz vor ihrem 90sten Geburtstag am 28.5.2006 nach längerer Krankheit verstarb. Ihre Zivilcourage, ihr Engagement für Frieden und Demokratie und nicht zuletzt ihr Auftreten wider das Vergessen war und ist uns Vorbild. Vor 73 Jahren wurde das KZ Dachau (22.3.1933) errichtet. Ein KZ in dem schon bald führende Köpfe des Augsburger Arbeiterwiderstandes eingesperrt wurden und am 17.5.1933, mit der Ermordung von Leonhard Hausmann, das erste Opfer zu beklagen war. Anna Pröll stand zeitlebens in der
Erinnerungsarbeit dieser Opfer.

>> zum Nachruf auf der Seite des Forums solidarisches und friedliches Augsburg

Kranzniederlegung

- Nachruf Augsburger Allgemeine »»
- Bericht Augsburger Allgemeine »»
- Stadt Augsburg »»

- Trauerrede des OB Dr. Paul Wengert »»
- Nachruf des Forums solidarisches und friedliches Augsburg »»
- Nachruf im Mitteilungsblatt der Lagergemeinschaft Buchenwald »»

"Die Nimmermüde"
Anna Pröll (* 12.06.1916 in Augsburg
† 28.05.2006 ebenda)

Linoldruck auf blaßblauem Papier (2020)
  01.11.2008 Enthüllung einer Gedenktafel am Geburtshaus

(2016 wurde das Geburtshaus abgebrochen. Wir hoffen, am neuen Haus die Tafel wieder anbringen zu dürfen.)

Ehrungen

  • 10.09.2002: Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuzes in der Bayerischen Staatskanzlei
  • 31.03.2003: Verleihung der Augsburger Ehrenbürgerschaft - Grußansprache des Oberbürgermeisters
    Gratulation der VVN-BdA zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft  »»
  • 19.11.2018 Festakt zur Umbenennung der Mittelschule Gersthofen in Anna-Pröll-Mittelschule Gersthofen »»
Weitere Informationen
  • KZ-Gedenkstätte Moringen - Kurzbiographie - die auch Annis KPD-Zeit nach dem Kriege nicht auslässt - unter der Rubrik Politischen Widerstand  »»
  • Dokumentarfilm über Anni Pröll - «Anna, ich hab Angst um dich» die Seite zum Film »»
  • Geschichtprojekt am Gersthofer Gymnasium - Motivation der Schüler durch den Besuch von Anni Pröll (Dez. 2000)
    Themen Zwangsarbeit in Gersthofen, die Familie Pröll im Widerstand, die Rolle Wernher von Brauns bei der Produktion der V2-Rakete, das KZ Dora.
  • Wahlkurs Stadt- und Regionalgeschichte (1998/99), Rudolf-Diesel-Gymnasium - Rückkehr unerwünscht! Die Geschichte von Widerstand und Verfolgung einer Augsburger Familie

Literatur / Internet

  • Katalog zur Austellung: Frauen im Konzentrationslager: Schwestern, vergeßt uns nicht. Frauen im Konzentrationslager Moringen, Lichtenberg, Ravensbrück 1933-1945. Frankfurt am Main 1988. S. 37-38
  • Steiner Manfred: Zeitzeugen - Gesichter und Stimmen einer Stadt - Augsburg in der NS-Zeit. Augsburg 2001. S. 143-160
  • Hesse Hans: Das Frauen-KZ Moringen: 1933-1938. Mohringen 2002. S. 75
  • Edith Findel, Irene Löffler, Anne Schmucker (Hrsg.): Augsburger Frauenlexikon, Achensee Verlag 2006 »»
  • Überlebende erzählen: Frauen-KZ Ravensbrück und Jugend-KZ Uckermark »»
  • Augsburg-Wiki »»
  • Wikipedia »»
  • e-Thieme »»
  • Ein Artikel über Anni's Schwager Fritz Pröll, der zunächst mit ihrem Mann im KZ Buchenwald inhaftiert war, später ins berüchtigte KZ Dora-Mittelbau verschubt wurde und dort nach gezielten und erfolgreichen Sabotageaktionen in der V2-Raketenproduktion den Freitod wählte. Bei Wikipedia  »»