Pressemitteilung
Stadt Augsburg 19.2.2007
Mieczyslaw (Mietek) Pemper wird die Ehrenbürgerwürde
der Stadt Augsburg am Sonntag, 29. April, um 11 Uhr im Rahmen eines
Festakts im Goldenen Saal des Rathauses durch Oberbürgermeister
Dr. Paul Wengert verliehen. Die Laudatio hält Charlotte Knobloch,
Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Zudem
wird ein Grußwort des amerikanischen Regisseurs Steven Spielberg
verlesen. Ihn hatte Mietek Pemper bei den Dreharbeiten zum Film
„Schindlers Liste“ beraten. Der Festakt wird mit Musiktiteln
aus dem Film gestaltet.
„Mietek Pempers Lebenswerk ist geprägt vom Geist der
Versöhnung und des Friedens. Er hat sich um die Friedensstadt
Augsburg in ganz besonderer Weise verdient gemacht“, begründet
Oberbürgermeister Dr. Paul Wengert den Vorschlag zur Verleihung
der Ehrenbürgerwürde.
Mietek Pemper, der seit 1958 in Augsburg lebt, wurde 1920 im polnischen
Krakau geboren. Von März 1943 bis September 1944 war er als
Häftling im Arbeitslager und späteren Konzentrationslager
Krakau-Plaszow gezwungen, für den wegen seiner Grausamkeit
gefürchteten Lagerkommandanten Amon Göth als Sekretär
zu arbeiten. Pemper hat diese erzwungene Arbeit genutzt und sein
Wissen an den Fabrikanten Oskar Schindler weitergeben. Auf dieser
Grundlage hat Schindler jene berühmte Liste geschrieben, auf
der rund 1.000 Mithäftlinge aufgeführt waren, die in seinen
Werken arbeiteten und so vor der Ermordung durch das NS-Regime gerettet
wurden. Diese ereignisreichen Vorkommnisse waren 1982 in dem Sachbuch
„Schindlers Liste“ von Thomas Keneally beschrieben worden.
Es war Grundlage für den gleichnamigen Spielfilm des amerikanischen
Regisseurs Steven Spielberg, dessen wichtigster Berater Mietek Pemper
bei den Dreharbeiten 1993 war.
Über die Shoah-Stifung in Los Angeles hat die Stadt Augsburg
Kontakt mit Steven Spielberg aufgenommen. Aus terminlichen Gründen
kann er zwar nicht persönlich an der Verleihung der Ehrenbürgerwürde
an Mietek Pemper teilnehmen. Doch der Hollywood-Regisseur wird ein
Grußwort fertigen, das im Goldenen Saal verlesen wird. Musikalisch
gestaltet wird der Festakt mit drei Titeln aus der Feder von John
Williams, die der Amerikaner für den Film „Schindlers
Liste“ komponiert hat. Wolfgang Reß (Klavier) und Harry
Christian (Geige) spielen „Schindler´s List“,
„Jewish Town (Krakow Ghetto-Winter ´41) und „Remembrances“.
Mietek Pemper lebte seit 1958 in Augsburg, wo er beruflich als Unternehmensberater
tätig war. In Vortragsveranstaltungen berichtete er über
seine Erlebnisse und hielt damit vor allem bei der jungen Generation
das Bewusstsein für die Greueltaten des Nazi-Regimes wach.
In Würdigung seiner beispielhaften Bereitschaft, erlittenes
Unrecht zu verzeihen sowie für seine Verdienste um die polnisch-deutsche
und die jüdisch-christliche Versöhnung hat die Universität
Augsburg Mietek Pemper 2001 in den Kreis der akademischen Ehrenbürger
aufgenommen. 2002 erhielt er das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Zwei Jahre später ehrte ihn die Stadt Augsburg mit der Verdienstmedaille
„Für Augsburg“.
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Pemper war u.a. am Zustandekommen der seit Spielbergs Film berühmten Schindler-Liste beteiligt (genauer: an einer der Listen, denn es waren mehrere im Umlauf), die mehr als 1000 Juden vor Auschwitz bewahrte. Als Sekretär des KZ-Kommandanten – eine in der Geschichte des SS-Lagerwesens wohl einmalige Stellung für einen jüdischen Häftling – konnte er sich überdies einen Einblick in Geheimakten der SS verschaffen, deren Pläne an Schindler weitergeben und rechtzeitig eine Gegenstrategie entwerfen. Seinen größten Erfolg kann er verzeichnen, als es ihm 1943 gelingt, Produktionslisten so zu frisieren, dass das relativ kleine Arbeitslager mit überwiegend „kriegswichtiger“ Kleider- und Haushaltswaren-Produktion von der SS zu einem KZ mit „siegentscheidender“ Rüstungsproduktion hochgestuft wird. Dadurch blieb den Insassen das Schicksal vieler anderer Häftlinge erspart, deren Arbeitslager zu dieser Zeit aufgrund des für NS-Deutschland schlechten Kriegsverlaufs aufgelöst, und die infolge dessen von der SS in die Vernichtungslager transportiert wurden.
Nach dem Krieg trat Pemper in Polen in zahlreichen Prozessen als Augenzeuge gegen NS-Täter auf, u.a. gegen Göth, gegen den SS-Stabführer in Krakau Willi Haase und gegen die zweite Garde der SS im Lager Plaszow. An etlichen Auschwitz-Prozessen nahm er als Dolmetscher teil. U.a. begegnete er dabei dem Auschwitz-Arzt Dr. Münch, der nach seinem Freispruch (mangels Beweisen) in Roßhaupten am Forggensee eine Praxis eröffnete.
Pemper erlebte das gesamte Spektrum der Judenverfolgung, angefangen bei der Besetzung des „Generalgouvernements“ nach dem Überfall auf Polen 1939 und die kurz darauf einsetzende Diskriminierung, über die Ghettoisierung im Krakauer Ghetto, Arbeitslager und KZ, bis zur Befreiung der KZs im Osten durch die Rote Armee. Und er schildert nicht nur seine persönlichen Erfahrungen, sondern gibt an den passenden Stellen auch jeweils einen allgemeinen Überblick über die Hintergründe der Judenverfolgung und die Drahtzieher bei Polizei und SS. Das alles macht sein Buch gut geeignet für alle, die sich mit dem Thema „Holocaust“ befassen möchten und nach einem Zugang suchen. Es eignet sich damit auch für den Geschichtsunterricht an Schulen – allerdings mit zwei Einschränkungen, die im wesentlichen das Vorwort betreffen. Dort werden Schlussfolgerungen nahegelegt, die den historischen Tatsachen nicht angemessen sind.
Der erste Punkt betrifft die Legitimität von Gegengewalt zur Zeit der NS-Diktatur: So erfreulich es ist, dass auch eine so gut organisierte Vernichtungsmaschinerie wie diejenige NS-Deutschlands nicht perfekt war und sich mit List (und Listen) zeitweise hinters Licht führen ließ, so falsch ist es, diesen gelungenen gewaltfreien Widerstand gegen den bewaffneten Widerstand ausspielen zu wollen und jenem dadurch indirekt die Legitimation zu entziehen. Denn natürlich hat sich ein so rücksichtsloser, gewalttätiger Vernichtungsapparat wie der Nazi-Deutschlands nur durch bewaffnete Gegengewalt aufhalten und zurückdrängen lassen – durch die Gegengewalt der Alliierten, insbesondere die der Roten Armee. Sie bildete sozusagen den äußeren Rahmen, innerhalb dessen der gewaltfreie Widerstand überhaupt nur Aussicht auf Erfolg haben konnte. Darauf hat auch Mietek Pemper selbst in seiner Erzählung wiederholt hingewiesen.
Ebenso hat die Partisanenbewegung ihren Beitrag zum Sturz des NS-Regimes geleistet, wobei gerade die Geschichte der jüdischen Partisanen von Krakau gut dokumentiert ist . Eine Geringschätzung des bewaffneten Widerstandes bedeutet somit auch eine Missachtung jener jüdischen Partisanengruppen von Krakau, die sich mit ihren Aktionen (u.a. dem Anschlag auf das Wehrmachtscafe Cyganeria) an der Befreiung Polens beteiligten, ohne Rücksicht auf ihr eigenes Leben. Auch aus ihren Reihen gibt es Überlebende (z.B. Poldek Maimon oder Salek Schein, heute Israel).
Der zweite Punkt, der negativ auffällt, hängt eng mit dem ersten zusammen. Er besteht in dem Versuch, aus der Ausnahme eine Regel zu machen, bzw. einen „anderen Weg“, nämlich einen „ohne zur Waffe greifen zu müssen“ (s.10). Anders ausgedrückt: Das Bündel von Aktionen, das unter Bedingungen Erfolg hatte, wie es sie in Nazi-Deutschland kein zweites Mal gab, soll als Lehrbeispiel verkauft werden, wie Widerstand gegen Gewaltherrschaft zu erfolgen hat. Das ist zu schön, um wahr sein zu können:
Im Lager Krakau-Plaszow trafen zwei Umstände zusammen, deren Wahrscheinlichkeit insgesamt eher gegen Null tendierte: ein jüdischer Häftling, der entgegen allen Anweisungen innerhalb der SS zum Sekretär des KZ-Kommandanten wurde, und ein Industrieller mit Verantwortungsbewusstsein, wie es ihn unter Tausenden seiner Sorte, die die billigen jüdischen Arbeitssklaven für sich ausgenutzt haben, ebenfalls nur einmal gegeben hat. Daraus eine Handlungsanweisung für die jüngeren Generationen stricken zu wollen, ist grob fahrlässig.
Unterm Strich war die Schindler-Liste ein individueller Ausweg aus einer allgemeinen Bedrohung. Diese simple Tatsache festzustellen schmälert die Verdienste der Beteiligten in keiner Weise. Aber hier liegt eben auch das Problem: Ein Platz auf dieser Liste war ein großes Privileg für Einzelne, sie stellte keinen gangbaren Weg für alle dar. Ebenso wenig die Umwandlung dieses einen Arbeitslagers in ein KZ, während ringsum die übrigen Lager aufgelöst und die Insassen in die Vernichtungslager transportiert wurden. Es bleibt daher zu betonen, dass der rettende Weg für 1000 Juden keiner war, den die übrigen 6 Millionen auch hätten gehen können, sondern eine an ein Wunder grenzende Ausnahme.
Zum Schluss noch zwei wichtige Werke, die viel zum Verständnis des Holocaust in Polen beitragen, im Literaturverzeichnis des Pemper-Buches aber leider fehlen:
1. Goldhagen, Daniel Jonah: Hitlers willige Vollstrecker
Entgegen der in Deutschland gängigen Meinung, alle sechs Millionen Juden seien „in Auschwitz“ (bzw. den Vernichtungslagern) vergast worden, stellt Goldhagen klar, dass dies nur auf die Hälfte zutrifft. Die andere Hälfte kam durch Massenerschießungen, tödliche Bedingungen in den Ghettos, „Vernichtung durch Arbeit“, Todesmärsche und diverse andere Umstände ums Leben. Goldhagen zeigt, dass es sich bei diesen Mordaktionen nicht um Randerscheinungen handelte, die die deutsche Bevölkerung hätte übersehen können, und dass weit mehr Deutsche direkt an den Morden beteiligt waren, als offiziell zugegeben wird (die Schätzungen pendeln zwischen 50 000 und 250 000 direkt Beteiligten).
2. Kast, Jochen / Siegler, Bernd / Zinke, Peter: Das Tagebuch der Justina
“Aus dieser Gefängniszelle, die wir nie mehr lebend verlassen werden, grüßen wir jungen todgeweihten Kämpfer Euch. Wir opfern unser Leben bereitwillig für unsere heilige Sache und bitten lediglich, daß unsere Taten in das Buch ewiger Erinnerung einfließen.“ Mit diesen Worten beginnt das Tagebuch, das Gusta Davidson-Dränger (Kampfname „Justina“) in ihrer Gefängniszelle im Krakauer Frauengefängnis in den Wochen vor ihrer Hinrichtung auf Toilettenpapier verfasst und dort versteckt hat. Es überlebt den Krieg und wird gefunden. Das Tagebuch schildert die Ereignisse und Widerstandsaktionen rund um Krakau. Arno Lustiger zählt es zu den ergreifendsten schriftlichen Zeugnissen des jüdischen Widerstandes. Zusammen mit anderen Veröffentlichungen räumt es mit dem Märchen auf, die Juden hätten sich wie die Schafe zur Schlachtbank treiben lassen. Der jüdische Widerstand war vielfältig, aber es haben nur sehr wenige überlebt, die davon berichten können.
(K.Schulz 2007) |