Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) - Kreisvereinigung Augsburg
Stand: 25.11.2001 VVN-BdA Startseite
Dokumentation
 Straßenumbenennung in Gersthofen abgelehnt
23.11.2001

Aus der Az, Augsburg-Land 23.11.01
Wernher von Braun bleibt Namenspate
Straßenumbenennung von Gersthofer Ausschuss abgelehnt

Gersthofen (kale)
Die Wernher-von-Braun-Straße in Gersthofen wird auch weiterhin den Namen des Wissenschaftlers, der im so genannten Dritten Reich die V-2-Rakete entwickelte. Ein Antrag von Stadträtin Eva Rößner (Grüne), die Straße stattdessen nach dem Widerstandskämpfer Fritz Pröll zu benennen, wurde mit breiter Mehrheit im Bauausschuss abgelehnt. Der Antrag ist eine Folge des Zwangsarbeiterprojekts.
Dr. Bernhard Lehmann und mehrere seiner Schüler verfolgten die Diskussion um die Umbenennung. Eva Rößner erklärte, Wernher von Braun sei sicher ein großer Wissenschaftler, aber deswegen solle man nicht die Augen vor anderen Dingen verschließen. Die V-2-Rakete sei mit Hilfe von Zwangsarbeitern geschaffen worden. Deswegen "brauchen wir in Gersthofen keine Wernher-von-Braun-Straße". Dass, wie von Bürgermeister Siegfried Deffner eingewendet, Fritz Pröll als Namenspate nicht in das "Wissenschaftler-Viertel", sondern möglicherweise in ein neues Gebiet Gersthofens passe, sah Rößner als Argument. Sie schlug spontan Marie Curie als neue Namenspatin vor und war einverstanden, Fritz Pröll an anderer Stelle eine Straße zu widmen.

Albert Kaps (CSU) betonte, man wolle nichts aus dem Dritten Reich verharmlosen. Seine Fraktion stelle sich nicht gegen eine Fritz-Pröll-Straße, aber gegen eine Umbenennung der Wernher-von-Braun-Straße. Sie habe 1996 ihren Namen erhalten und zu diesem Zeitpunkt sei über Wernher von Braun nichts anderes bekannt gewesen als jetzt. Wernher von Braun sei unbestritten ein großer Wissenschaftler.
Josef Schuler (SPD) sprach sich ebenfalls dagegen aus. Dann müsste seiner Meinung nach zum Beispiel auch die Messerschmittstraße oder andere Straßen Gersthofen einen neuen Namen erhalten, denn dabei handle es sich um "Kriegsgewinnler". Manfred Nonnenmacher (Freie Wähler) stieß besonders negativ auf, dass Dr. Lehmann die ganze Diskussion für seinen Wahlkampf verwende.

Zwangsarbeiterlager

Dass auf dem Gelände der ehemaligen Ziegelei, also direkt im Gebiet der Wernher-von-Braun-Straße ein Zwangsarbeiterlager stand, darauf wies Hermann Fendt (GBU) hin. Das haben die Recherchen der Gersthofer Schüler ergeben. "Wir könnten über unseren Schatten springen und jetzt anders denken" als bei der Namensgebung, so Fendt. Ähnlich sah die Angelegenheit Peter Schönfelder (SPD) "Es gibt keinen Grund, der uns hindert, täglich klüger zu werden." Seine Recherchen haben ergeben, dass es in Gersthofen auch andere strittige Straßennamen gebe. Die Langemarck-Straße beispielsweise. Hitler habe seinerzeit darauf Wert gelegt, dass in jedem Ort eine Straße nach der dortigen Schlacht benannt wurde. Deffner räumte ein, dass sei ihm nicht bewusst gewesen. Er drängte Schönfelder dazu, einen Antrag auf Namensänderung auch für diese Straße zu stellen, der in der nächsten Sitzung behandelt wird. Sie könnte dann Fritz-Pröll-Straße heißen. Manfred Nonnenmacher will dann aber auch die Kosten wissen, die durch eine Umbenennung auf die Anlieger zukommen würde. Schönfelder meinte, dass die Verwaltung oder der Ältestenrat sämtliche Straßen Gersthofens nach ungewollten Beinoten abklopfen sollte. Angedacht wurde, das nächste Baugebiet in Gersthofen komplett mit Namen von Widerstandskämpfern auszustatten. Dabei käme dann die Familie Pröll in jedem Fall zum Zug.

Folgender Leserbrief wurde hierzu in der AZ veröffentlicht:

Es geht nicht darum, wie Bürgermeister Siegfried Deffner in der Bauausschusssitzung ausführte, Menschen die "damals lebten und keinen Widerstand leisteten, automatisch als Täter hinzustellen. Pauschalverurteilung wäre viel zu einfach und eindeutig falsch.
Auch um dies zu verhindern hat sich die Klasse 1 la des Paul-Klee-Gymnasiums zusammen mit H. Dr. Lehmann so intensiv mit der Geschichte Wernher von Brauns beschäftigt.

Es geht letztendlich darum, dass Wernher von Braun kein einfacher Mitläufer war, sondern ein freiwilliges Mitglied der NSDAP in der Funktion eines SS-Sturmbannführers. Als solcher hat er Hitlers Wunderwaffe, die ausschließlich der Vernichtung von Menschen diente, und auch noch eingesetzt wurde, gebaut. Nicht der Wissenschaftler steht dabei im Vordergrund sondern die Tat. Er hat es zugelassen, dass im Unterirdischen KZ Mittelbau-Dora unter unbeschreiblichen Bedingungen, neben deutschen KZ-Häftlingen, Häftlinge aus vielen Nationen zur Produktion seiner Waffe gezwungen wurden. Alle Häftlinge waren "Geheimnisträger. Alle durften "nur noch durch den Schornstein des Krematoriums das Lager verlassen, so hat es die SS einmal formuliert.

20.000 Menschen, soviel wie Gersthofen Einwohner hat, sind dabei in kurzer Zeit ums Leben gekommen, darunter auch Fritz Pröll aus Augsburg. Es ist nicht zu begreifen, wie ausgerechnet ein Täter wie Wernher von Braun, der sich im Gegensatz zu vielen anderen Wissenschaftlern, nach 1945 nicht dazu durchringen konnte, sich von den Mördern des Naziregimes zu distanzieren und den Bau seiner Waffe kritisch zu betrachten, als Vorbildcharakter in der heutigen Zeit hingestellt werden kann.

Wir werden von unserer Regierung dazu aufgerufen, Zivilcourage in Bezug auf den heutigen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit zu zeigen. Gersthofen käme leicht ohne eine Wernher-von-Braun-Straße aus. Es wäre ein aktiver Beitrag gegen den Rechtsextremismus.

Nicht damit unsere Familie "zum Zug kommt wie Sie eigenartiger Weise in Ihrer Zeitung formulieren, sondern damit "die Würde des Menschen wie in unserem Grundgesetz verankert, durch solche Benennungen nicht mit Füßen getreten wird.
Josef Pröll
WiIh.-Busch-Weg 7
86368 Gersthofen
Mitglied des Präsidiums
der Lagergemeinschaft Dachau flur die BRD.