Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) - Kreisverband Augsburg
Stand:
Dokumentation
 

Veranstaltung des Bündnis für Menschenwürde Augsburg - Schwaben e.V.
Montag, 5. Februar 2007

Publizist Toralf Staud stellte sein Buch
"Moderne Nazis - die neuen Rechten und der Aufstieg der NPD" vor.
Flyer zur Veranstaltung

Toralf Staud (geb.1972)

Der Klappentext:
Die NPD ist in den vergangenen Jahren zu einer Bedrohung der Demokratie geworden - aber nicht, weil sie bald in den Bundestag oder gar irgendwann ins Kanzleramt einziehen könnte. Sondern weil sie - von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt - an einer Faschisierung der ostdeutschen Provinz arbeitet. Dort ist sie inzwischen fest verankert ("national befreite Zonen"), hat einen stabilen Wählerstamm, sickert in die Gesellschaft. Wer dort nicht dem völkischen Weltbild entspricht, muss im Alltag entweder sehr tapfer sein - oder er geht. Die NPD ist die älteste rechtsextremistische Partei Deutschlands, aber sie ist auch die modernste. Mit der konservativen Partei der sechziger Jahre hat die neue NPD nichts mehr zu tun. Mit kalkulierten Eklats wie im Sächsischen Landtag ("Bomben-Holocaust") trägt sie Positionen in die Öffentlichkeit, die noch vor kurzem tabu waren. Anders, als man es von rechtsextremen Parteien gewohnt ist, nutzen ihre Abgeordneten clever die parlamentarische Bühne. Die NPD hat heute ein revolutionär-antikapitalistisches Programm, sie setzt auf aktuelle Themen, sie schwimmt mitten in der rechtsextremen Jugendkultur. Ignorieren hilft nicht mehr.
 

Rezensionsnotiz

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.10.2005, S. 8
Wenn das der Führer wüßte!
Die NPD profitiert von der Hinterlassenschaft der SED

Seit Jahrzehnten agiert die NPD als Splitterpartei. Auch bei der jüngsten Bundestagswahl landete die Partei deutlich unter der 5-Prozent-Hürde - trotz erheblicher Gewinne gegenüber 2002, gerade in Ostdeutschland. Der Journalist Toralf Staud warnt davor, die NPD zu unterschätzen. Er erinnert vor allem an den NPD-Wahlerfolg bei der sächsischen Landtagswahl: Nach dem gescheiterten NPD-Verbot kumulierten mehrere Faktoren und trieben die NPD in die Volksvertretung des Freistaats - auch ohne "rotbraune" Leitfigur à la Lafontaine. In Sachsen konzentriert die antikapitalistische NPD seit Jahren ihre Kräfte. Stärker als früher findet und bearbeitet sie aktuelle Reizthemen: gegen "Sozialabbau", für einen nationalen Sozialismus. Die SPD hingegen scheiterte gerade bei der Landtagswahl 2004 in Sachsen weitgehend daran, "Prolet-Arier" zu sammeln.

Offenbar profitieren Rechtsextremisten in der Ex-DDR mancherorts von geistig-moralischen Hinterlassenschaften der "antifaschistischen" SED. Dazu gehören Freund-Feind-Denken, "Kopf ab"-Parolen, Kirchen-, Amerika-, Israel- und Ausländerfeindlichkeit (Ausländerquote im Osten heute bei 2 Prozent). Ausdrücklich loben Rechtsextremisten bis heute die angebliche Vollbeschäftigung in der Deutschen Demokratischen Republik und die tatsächlich geringe Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus, den die SED lieber Faschismus beziehungsweise Nazismus nannte, um Ähnlichkeiten zwischen beiden deutschen Diktaturen zu vertuschen. Bei allen Unterschieden: Auch im Westen brauchte es nach 1945 Zeit und Erfolge, bis die rechtsstaatliche Demokratie und Soziale Marktwirtschaft tiefer wurzelten. Vorerst bleibt Rechtsextremismus im Osten weniger geächtet als im Westen.

Staud erwähnt Ähnlichkeiten zwischen NPD und PDS (Demagogie), weigert sich aber, beide umfassend zu vergleichen. Doch systematische Vergleiche könnten neben Unterschieden jene weiteren Analogien herausarbeiten (etwa Wählermentalitäten), die Stauds empirisch schwach untermauertes Buch erahnen läßt. Schließlich befindet der Autor: "Rechtsextremistische Propaganda richtet sich gegen Schwache, linksextremistische gegen Starke. Wen die NPD zum Feind erklärt, der ist in der Regel schutzlos. Die Feinde der Linksextremisten aber fahren gepanzerte Limousinen und bekommen Polizeischutz." Opfer erster und zweiter Klasse? Menschliches Leben von unterschiedlichem Wert? Staud erweckt den Eindruck, ähnlich wie Extremisten die Fundamentalgleichheit der Menschen zu negieren - die (normative) Gleichwertigkeit aller Individuen unabhängig von (empirischen) Verschiedenheiten wie sozialer Status, Religion und Hautfarbe.

HARALD BERGSDORF

Die AZ-Berichterstattung zur Veranstaltung 1.2007